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Taiji als Therapie

Gesundheitsförderung hat unter anderem die Aufgabe, Zusammenhänge zwischen Lebensführung, Salutogenese und therapeutischen Maßnahmen zu erforschen und in der Praxis umzusetzen. Taijiquan und Qigong gründen auf den Säulen von Philosophie, Medizin und Psychologie. Aus dieser Eigenschaft heraus, gleichermaßen die körperlichen, seelischen und geistigen Aspekte des Menschen zu fördern, zu stärken und zu kultivieren, ergibt sich die Möglichkeit, Taijiquan und Qigong in besonderem Maße als Bewegungs- und Körperpsychotherapie für Gesundheitsbildung, Gesunderhaltung, Linderung von Beschwerden und für die Therapie bestehender Krankheiten und Dysfunktionen einzusetzen.

Der Mensch stellt sich – wie der deutsche Psychologe und Begründer der Integrativen Therapie Hilarion Gottfried Petzold (geb. 1944) betont – als ein komplexes Körper-Seele-Geist-Wesen dar, eingebunden in seine besondere Lebenswelt und Lebenszeit. Da Körper, Seele, Geist, Lebenswelt und Lebenszeit sehr individuell miteinander verwoben sind, muss Therapie, wenn sie den Anspruch auf Ganzheitlichkeit erhebt, alle diese Bereiche mit in den Blick nehmen. Der Leib als beseelter Körper tritt in den Vordergrund der Betrachtung.

                          »Der Leib als Grundlage aller Lebensprozesse – auch der kognitiven und emotionalen – wird

                                                  zum Ausgangspunkt therapeutischen Handelns« (H. Petzold).

Taijiquan kann somit bewusst in die Tradition der medizinisch-philosophischen Begleitung und Lebensberatung von Menschen gestellt werden, um sie bei ihren Entwicklungsaufgaben, in der Auseinandersetzung mit Fragen zu Werten und der persönlichen Ethik, in der Entfaltung ihrer Potenziale und beim Umgang mit Krisen, sowie in der Bewältigung von Krankheit und Leid zu unterstützen.

Taijiquan kann durch seine Eigenschaft, Menschen geistig und körperlich in Bewegung zu halten, psychosozialen Stress reduzieren. Dabei nutzt es die Fähigkeit von Menschen, aufgrund ihrer Neuroplastizität, ihrer Bewältigungsfähigkeiten, ihrer explorativen Neugier sowie ihrer Schaffens- und Gestaltungskraft bis ins hohe Alter mit Negativeinflüssen fertig zu werden, Gesundheit wiederzuerlangen oder auch mit Einbussen leben zu lernen. Schon in den chinesichen Klassikern findet man folgende Aussage:

                      »Im Leben können wir der Wandlung nicht entgehen und ebenso wenig dem Verlust. Freiheit und Glück

                     liegen in der Anpassungsfähigkeit und Ungezwungenheit, mit denen wir uns in der Wandlung gewegen.«

Angesprochen werden die vier Wesensbereiche des Menschen in prägnanter Aufeinanderfolge und Orthogonalität, die eine deutliche Parallele zu den von dem Kulturphilosophen Jean Gebser definierten Dimensionen des Bewusstseins aufweisen, nämlich (I) das Strukturierte und Stationäre des Körpers in seiner unmittelbaren Verbindung zur Psyche, (II) die Ebene der Bewegung und der Bewegtheit – somatisch wie psychisch. Lebendigkeit und Lebenslust wollen erfüllt sein und zum Ausdruck gebracht werden. (III) Das vorantreibende Begehren, der dem Fortschrittsstreben inhärente "Hunger nach Mehr", der im Taijiquan jedoch im gegenseitigen Aufnehmen und Sich-Unterstützen stillt werden soll und schließlich (IV) die Dimension der Hingabe und des Loslassens, sowie der Selbstfindung und Erfüllung zur Vollendung der Persönlichkeitsentwicklung.


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Nicht die Dinge ändern sich:

Wir ändern uns.

- Henry David Thoreau -